Abschiede

Caruso

Caruso, Aenne und Liesel waren seinerzeit durch ein Mitglied zu uns gekommen. Schnell kamen Hühner aus der Eierindustrie dazu. Jedes einzelne Huhn nahm Caruso schützend unter seine Fittiche. Er sorgte für Ruhe und Ordnung unter den Hennen, besonders, wenn jemand neu war und sich erst zurechtfinden musste.

Während Hühner, die nicht fürs Eierbekommen gezüchtet wurden, 15 Jahre alt werden können, wird die Lebenserwartung bei Hähnen allerdings nur mit 5-8 Jahren angegeben. Caruso ist ungefähr 7 Jahre alt geworden. Er war bis zu seiner letzten Stunde munter, gut genährt, kräftig und der Fixpunkt seiner Hühnerschar. An einem sonnigen Frühlingstag ist er ganz plötzlich n altersbedingtem akuten Herzversagen gestorben.

Gerti, Greta und die anderen Hühner waren völlig orientierungslos, standen in einem Haufen ratlos vor ihrem Stall. Wir Menschen mussten auch erstmal verdauen, dass wir wieder eine große Tierpersönlichkeit verabschieden mussten. Fast alle unserer Hühner sind für das, was sie erlitten haben, schon sehr alt. Weil alle Eierqual erlitten haben, sind wir bei jedem Huhn auf seinen Tod vorbereitet, doch bei Caruso dachten wir wohl, er würde ewig leben.

Caruso hatte sich den ganzen Tag über um alle gekümmert. Er bestimmte den Tagesrhythmus, führte die Herde an, wenn eine andere Ecke im Garten ausgekundschaftet werden musste, suchte ständig nach besonderen Leckerbissen. Im weitläufigen Garten mit viel unterschiedlichem Bewuchs schritt er seinem Hühnervölkchen voran hierhin und dahin, wurde oft fündig und rief dann die Damen zur gemeinsamen Mahlzeit. Er staubbadete mit ihnen, lag mit ihnen in der Sonne oder unter den dichten Büschen, wenn es heiß war.

Rührend kümmerte er sich um die arme Flocke, mit ihrem dicken nackten pickeligen Bauch, die vorher anderswo so sehr gemobbt worden war. Und auch als wir nach und nach Greta in die Herde integrieren mussten, nahm er sich ihrer ganz besonders an. Viele Stunden war er an ihrer Seite. Die beiden schritten kilometerweit durch Gebüsche und Gras und scharrten im losen Boden nach Essbarem.

Carusos ganz spezielle Herzensdame war allerdings zeitlebens die uralte schöne schwarze Gerti. Gerti ist fast so groß wie Caruso war und ebenso wie er immer ein ruhender Pol in der Herde. Ein Dream Team.

Menschen gegenüber zeigte sich Caruso in seinen ersten Jahren bisweilen angriffslustig. Wenn die Hühner Besuch bekamen, musste sicherheitshalber jemand abgestellt werden, um ihn im Auge zu behalten. Seinen 5 cm langen Sporn mochte man nicht im Bein haben. In den letzten Jahren hatte sich seine Angriffsbereitschaft gelegt, aber wir blieben natürlich auf der Hut, um jede Verletzung zu vermeiden. Caruso entschied selbstständig und für uns nicht immer nachvollziehbar, wen er in der Nähe seiner Damen duldete und wen nicht. Auf der anderen Seite konnten Kinder ihn aus der Hand füttern. Er nahm Leckerchen sehr vorsichtig, was viele überraschte und sehr freute.

Mit seiner kraftvollen, melodiösen Stimme erklärte er ganz Varensell und dem Umland, wer hier das Sagen hatte und der unumschränkte gute Herrscher der bunten Hühnerschar war. Das verkündete er gerne auch nachts um eins. Das Krähen der Hähne ist einer der Gründe, warum sie oft ausgesetzt werden, denn es kommt in Wohnsiedlungen nicht immer gut an. Das nächtliche und frühmorgendliche Krähen gehörte einfach hier dazu. Alles war gut. Die Unbill, die Menschen in der Welt verursachen, all die Gewalt, die Rücksichtslosigkeit, der Egoismus, die Gier nach immer mehr „Wohlstand“, während Tiere hilflos sterben, die Grausamkeit gegen Tiere, die keinem was getan haben…die sind doch wirklich schlimm, tragisch, unverzeihlich, zum Aufregen, oder? Wie kann man sich über die Stimme eines Tieres ärgern, deshalb sogar klagen? Das Krähen der Hähne ist Musik!

Caruso fehlt uns allen sehr. Ganz besonders seinen Hühnern. Jeder andere Hahn wird es schwer haben, seine Nachfolge anzutreten.