Jupiter
Jupiter hat seine Reise in den Hundehimmel angetreten. Er war ein wunderbarer Freund für alle, die ihn nahmen, wie er war – unsicher im Umgang mit Tier und Mensch, aber die treueste Seele, die man sich nur vorstellen konnte, wenn er einmal Vertrauen zu jemandem gefasst hatte.
Wir hatten Jupsi vor viereinhalb Jahren aus einem befreundeten Tierheim übernommen, wo er ein Jahr lang vergeblich auf hundeerfahrene Menschen gewartet hatte. Er war probeweise bei Interessenten gewesen, es hatte aber nicht geklappt.
Ich hatte ihn zunächst mehrfach besucht, war mit ihm spazieren gegangen, mit Maulkorb gesichert. Er freute sich immer mehr, wenn ich kam. Nach einigen Wochen holten wir ihn auf Probe zu uns. Eigentlich war er etwas zu groß und zu stark: Herdenschutz-Windhundmix, 42 kg auf sehr langen Beinen mit hohem Schwerpunkt und entschlossen zu kämpfen, wenn es seiner Meinung nach eine Bedrohung gab. So waren Spaziergänge lange Zeit eine echte Herausforderung. Aber man gibt einen Freund nicht auf. Und im Zusammenleben zuhause war er uns Menschen gegenüber von Anfang an sehr freundlich und unkompliziert. Wir fassten schnell gegenseitig Vertrauen. Allerdings konnten wir ihn erst nicht mit den anderen Hunden zusammenlassen und bis zum Schluss nicht zusammen allein lassen.
Gleich zu Anfang, als Jupiter nur wenigen Menschen traute, hatte er einen Kreuzbandriss, musste in einer Klinik untersucht und operiert werden. Das Prozedere gestaltete sich ausgesprochen schwierig und zog sich, immer wieder mit Wundheilungsstörungen, anderen Komplikationen und vielen Narkosen über ein Jahr lang hin.
Die Begegnungen mit anderen Hunden gestalteten sich beim Spazierengehen lange extrem stressig, weil Jupsi seine enorme Sprungkraft geschickt einzusetzen wusste. Er war kein Hund, der „einfach mitlief“. Aber Zuwendung und Verständnis für seine unverschuldeten Eigenheiten dankte er mit Interesse, Freundlichkeit und Berechenbarkeit. Wir waren immer vorsichtig und nach und nach fasste er immer mehr Vertrauen zu immer mehr Menschen, die bei Achtung für Tiere aktiv sind – auch zu Männern und sogar zu Männern mit Bart und Mütze!
Nach anfänglichen erheblichen Schwierigkeiten konnte Heinrich schließlich mit seinem großen blonden Freund ohne Maulkorb und mit einfacher Leine spazieren gehen. Jupsi blieb später immer öfter ruhig und entspannt, wenn den beiden Hunde begegneten, die ähnlich schwierig zu händeln waren, wie unser Großer und ihn massiv anpöbelten.
Wie jeder Hund, den mensch „schwierig“ findet, hatte Jupiter gute Gründe für alle seine Verhaltensweisen. Erstaunlich ist allenfalls, wie bereit Hunde wie er oftmals mit der Zeit sind, es auch mit Menschen noch einmal zu versuchen, deren Typ sie bisher als gefährlich kennengelernt haben. Jupiter hat sein Vertrauen nicht nur auf immer mehr Menschen und andere Tiere ausgedehnt – er hat uns damit auch das Geschenk gemacht, an seinem liebevollen, ulkigen, lebensfrohen Wesen teilzuhaben. Jeder, den er über kurz oder lang in sein Herz gelassen hat, wird mit einem Lächeln an den großen, verschmusten, verspielten Hund zurückdenken, der mit seiner ganzen eindrucksvollen Erscheinung überschwängliche Freude ausdrücken konnte.
Jupiter liebte es, Bällen hinterher zu jagen und fing jeden Ball, den man ihm zuwarf. Die ausgeprägte Leidenschaft zum Buddeln teilte er mit Tilly.
Er war ein geschickter Dieb, beobachtete uns genau, und wenn wir vergaßen, die Küche zu sichern, dann fehlte 100%ig alles, was für ihn erreichbar war, und das war viel. Oft stahl er so geschickt, dass wir es erst nicht bemerkten. Da er so groß war, musste er Geschirr oft nicht herunterreißen, sondern konnten von oben daraus essen, wenn er sich auf die Hinterbeine stellte. Unsere Hunde sind bei jedem Sonntagsfrühstück dabei. Jupsi hatte dabei stets den Überblick über die Speisekarte.
Mit den Jahren akzeptierte er auch die anderen Hunde immer mehr. Solange wir im selben Zimmer waren, lag er zusammen mit ihnen auf den Sofas oder im Körbchen. Jupsi mochte Tilly, Ari und Argo, freute sich, wenn sie auf ihn zu kamen, aber er war eben auch unsicher und neigte zum Mobbing, wenn wir den Raum verließen. Zum Glück können wir Hunde in unserem Wohnzimmer jederzeit einfach trennen, so dass alle entspannt leben konnten.
Vor dreieinhalb Monaten wurde bei unserem Großen ein bösartiger Tumor am Vorderbein diagnostiziert. Bei einem so großen, schweren und alten Hund, wie Jupsi, das Vorderbein zu amputieren, kam nicht in Betracht. Er bekam stattdessen mehrere Schmerzmittel in steigender Dosierung. In seinen letzten Lebensmonaten wurde er sehr „gnädig“. Selbst fremde Menschen, die wenig Hundeerfahrung hatten, akzeptierte er nun. Auch an unserer Mitgliederversammlung hat er noch einmal teilgenommen.
Nach und nach hatten sich im Laufe der Jahre für Jupsi drei Paten gefunden. Danke, dass ihr uns dabei halft, die enormen Kosten, die für ihn anfielen, zu stemmen. Danke, dass ihr unserem größten, vielleicht bisher „anspruchsvollsten“ Hund, der so viele große Probleme und Baustellen hatte, eure Zuneigung und euer Vertrauen schenktet!
Mit der Hilfe von Spenderinnen und seiner Paten hatte Jupsi bei uns viereinhalb sehr gute Jahre, in denen es ihm an nichts gefehlt hat. Auch diejenigen, die sich anfangs vor ihm in Acht nehmen mussten, sind seine Freunde geworden. Wir sind sehr froh, dass Jupsi hier bei uns zu Hause und ohne jede Angst erlöst wurde.
Ein Planet ist aus unserem Tierschutzsonnensystem verschwunden.
Lieber Jupiter, du warst uns ein treuer Freund. Dass du uns dein Vertrauen geschenkt hast, ist für uns eine Ehre. Mach es gut! Du bist ja nicht weg, du bist nur anderswo.