Paul
Wieder mussten wir Abschied nehmen. Paul ist verstorben. Beim Frühstück mit seinem Freund Tom munter und unauffällig, lag er wenig später tot da, ohne erkennbare Krankheitssymptome. Ohne Ankündigung mitten aus dem Leben gerissen. Gift, wie bei Pit, können wir ausschließen. Wir gehen von akutem Herzversagen aus.
Paul war eine ganz besondere Persönlichkeit, sind sie ja alle! Er ließ sich meist ungern berühren, nicht tragen, war Menschen gegenüber distanziert, wenn er konnte, außer es gab Essen. Damit konnte man ihn immer zuverlässig heranrufen.
Paul hatte als Säugling einen Schlag vor den Kopf bekommen. Wir konnten den schwer verletzten Winzling einfangen und mussten ihm als erstes ein Auge entfernen lassen. Eine sehr schwere Operation für das kleine Katzenkind. Er hatte damals noch mehr Angst vor Menschen und es war schwierig, ihn nach der schweren Kopfoperation zu händeln.
Tom, der mit allen unseren anderen Katzen oft Stress hatte, wandte sich dem kleinen Paulchen von Anfang an väterlich zu und umsorgte den winzigen Kerl, begleitete ihn bei ersten Ausflügen in den Garten und bei seinen Kletterversuchen. Paul musste erst lernen, sich mit einem Auge sicher zu orientieren und zu bewegen. Er musste den Kopf mehr bewegen, als andere Katzen, war lange anfangs unsicher beim Gehen und springen.
Aber mit Toms Hilfe war aus Paul nach und nach ein großer stattlicher Kater geworden, der sich anderen Katzen gegenüber durchzusetzen lernte, gerne auch einmal austeilte. Befreundet war er immer nur mit Tom. Zeitlebens schliefen beide eng zusammengekuschelt in Cats-Cradles und Körbchen.
Tagsüber streifte Paul, von Luna und Familie unbehelligt, durch den riesigen Garten und nutzte bei Regenwetter gerne den großen Dachboden über dem Wohnhaus mit seinen Klettergelegenheiten. Tom war tagsüber im Garten nebenan, weil er von Luna, Moritz und Ida gemobbt wurde. Mit den freundlichen Damen, Püppi, Mila, Ima und Minni lief es für ihn besser. Paul ließen Luna, Moritz und Ida in Ruhe. Er hätte sich auch nichts gefallen lassen.
Von Spätnachmittag bis morgens früh verbrachten Paul und Tom ihre Zeit aber immer zusammen. Tom zeigt nach Pauls Tod äußerlich keine Veränderung. Vielleicht hatte zwischen den Freunden ein Austausch, ein Abschiednehmen stattgefunden. Tiere sind viel feinfühliger als wir. Und die beiden sprachen dieselbe Sprache.
Paul ist mit 15 Jahren nicht sehr alt geworden. Aber er hatte ein gutes Leben, nachdem er sich von seiner schweren Verletzung erholt hatte – viel, viel besser als es die heimatlosen Katzen hier in Rietberg und drumherum haben, wo es immer noch Menschen gibt, die sich nicht um die Kastrationspflicht scheren.
Paul bewohnte erst in Gütersloh und dann hier in Varensell ein riesiges abwechslungsreiches Gelände, sicher geschützt vor JägerInnen und Autos.
Wenn er krank war, dann war die Behandlung für uns abenteuerlich, weil man ihn nur bei der ersten Behandlung noch anfassen konnte. Dann war er gewarnt und versuchte sich jedem weiteren Behandlungsversuch mit allem, was ihm zur Verfügung stand, zu entziehen. Das ist auch so etwas, was die Menschen zu verantworten haben, die menschenscheue Katzen sich vermehren lassen: Scheue Tiere leiden völlig überflüssigerweise unter der Gefangenschaft während der Rekonvaleszenz nach der Kastration. Und Tiere wie Paul oder Lilly können nur schwer und unter Zwang oder gar nicht behandelt werden, wenn sie erkranken.
Mit den Jahren hatte aber auch Paul erkannt, dass Streicheleinheiten guttun können, nur seinen Kopf durfte man nicht berühren. Für Paul gab es sehr lange eine Patenschaft. Herzlichen Dank seinen Paten für die langjährige zuverlässige Unterstützung!
Lieber Paul, wir sind froh und glücklich, dass wir 15 Jahre für dich sorgen und dich beschützen konnten! Mach es gut. Du bist ja nicht weg, sondern nur anderswo. Dein Freund Tom liegt zwar jetzt erst einmal allein in seinem Körbchen. Aber wir arbeiten daran, ihm wieder Gesellschaft anzubieten, die er mögen könnte.