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19. Februar 2023

Tierärztin: Schafhaltung im Kreis ist oft Tierquälerei

Veterinäramt lässt Tiere im Regen stehen

„Seit Anfang letzter Woche melde ich dem Veterinäramt anhaltendes Tierleid in zwei Schafherden. Die Tiere sind auf kahlen Äckern eingepfercht und völlig schutzlos scharfem Wind, Kälte, Regen und natürlich auch Feinden preisgegeben. Es sind  kranke Tiere dabei. Sie müssen dreckverschmierte Pflanzenreste essen, gehen oft unruhig hin und her, greifen sich an, erscheinen hungrig, teilweise mager, manche scharren im Boden,“ beschreibt Tierärztin Astrid Reinke die Situation zweier Schafherden zwischen Verl und Varensell. „Ich kann die Tiere nur von jenseits des Zauns ansehen, habe aber immer mehr Missstände beobachtet. Das kostet Zeit. Das Veterinäramt kann den Acker betreten, die Tiere anfassen, abtasten, gründlich untersuchen.“

Durchnässt und dreckig standen die Tiere im kalten scharfen Wind.

Solche dicken Verklumpungen um den After herum dürfen gar nicht erst entstehen, kritisiert Reinke. 

Schon oft musste die Vorsitzende des Vereins Achtung für Tiere e.V. Tierschutzverstöße bei Schafherden der Behörde melden. Laut rechtlicher Vorgaben müsse Schafen jederzeit Witterungsschutz zur Verfügung stehen. Alle Tiere müssten gleichzeitig trocken und windgeschützt liegen können. Sie bräuchten genug artgemäße Nahrung, Trinkwasser, Mineralien und müssten mindestens einmal täglich gründlich! kontrolliert werden. Es gebe fachliche Stellungnahmen und Gerichtsentscheidungen zur Schafhaltung, auch zum Witterungsschutz.[i] „Aber im Kreis Gütersloh stehen Schafe, sogar Lämmer, bei Kälte und scharfem Wind im strömenden Regen auf matschigen Äckern herum,“ kritisiert die Vorsitzende von Achtung für Tiere e.V. die Schafhalter und das Veterinäramt.

Lamm mit nassem dreckigem Fell, aufgekrümmtem Rücken, Lahmheit vorne links.

Kaum etwas Essbares zu finden…

Die Mitglieder von Achtung für Tiere haben viele kleine nasse dreckige dünne bemitleidenswerte Lämmer, wie diese gesehen.

Auf der Suche nach irgendetwas Essbarem….

„Die Tiere hatten anfangs nicht einmal Trinkwasser. Erst ab Freitag habe ich einen Wassereimer gesehen. Es sind Lämmer dabei, die sogar trotz des Fells mager erscheinen. Manche Tiere hinken vorne, andere können ein Hinterbein nicht aufsetzen, eines lahmt vorne und hinten, eines robbt auf den Vorderfußwurzelgelenken, typisch für Schmerzen in den Füßen. Wir haben Husten gehört, ein Lamm hat Nasenausfluss, eines stand bewegungslos mit aufgezogenem Rücken und entlastete das linke Vorderbein, alles Symptome, die nicht plötzlich in dem Moment entstehen, wenn wir am Zaun stehen. Diese Tiere haben ein Grundproblem: Sie stehen dauerhaft in Regen, Wind, Kälte. Der Matsch kann Fußkrankheiten, wie die sehr schmerzhafte Moderhinke befördern. Sie müssen sich zum Schlafen und Wiederkäuen stundenlang in den Matsch legen, haben wenig und dreckige Nahrung. Auch die kranken Tiere werden weiter durchnässt. Ein völlig unhaltbarer Zustand.“  

Dieses Lamm war Sonntag um 7.30 unfähig, aufzustehen. Es sollte erst „im Laufe des Tages“ vom Schäfer abgeholt werden. „Dem Tier hätte sofort geholfen werden müssen“, findet Reinke.

„Sonntagmorgen versuchte ein Lamm verzweifelt aus dem Matsch aufzustehen, vergeblich. Ein schrecklicher Anblick. Seine völlige Hilflosigkeit. Wie lange mochte das kranke, magere Tier sich schon in dieser verzweifelten Situation befunden haben? Nachts hatte es in Strömen gegossen.“

Reinke habe Samstagabend und Sonntagmorgen die Polizei angerufen, diese das Veterinäramt. Ihr sei mitgeteilt worden, es werde sich gekümmert. Der Schäfer werde auch das kranke Tier „im Laufe des Tages“ holen, was die Tierärztin jedoch scharf kritisiert. „Ein Lamm, das offensichtlich leidet, das nicht einmal mehr aufstehen kann, abgemagert ist, das lässt man doch nicht noch weiter stundenlang in Kälte, Nässe und Dreck liegen!“ Sie habe erwartet, dass das kranke Lamm amtlicherseits versorgt und zu seinem Schutz und zu Beweiszwecken sichergestellt werde. Schließlich liege bei dieser Schafhaltung vieles im Argen. Tierschutzverstöße müssten konsequent geahndet werden. Der Zustand dieses und der anderen Tiere müsse von einem unabhängigen Tierarzt genau dokumentiert werden. Laut Tierschutzgesetz werde mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer einem Wirbeltier länger anhaltende erhebliche Schmerzen oder Leiden zufüge. „Wir haben leidende Tiere auch mit klaren Anzeichen erheblicher Schmerzen beobachtet. Warum bemerkt ein Schafhalter sowas nicht und warum lässt ein Veterinäramt die Tiere weiter im Regen stehen?“

Das Lamm liegt im Matsch, man sieht verdreckte Pflanzenreste, kann die Wirbelsäule des Tieres erahnen und auf Entfernung nur vermuten, dass es zu mager ist.

Sie habe im Kreis Gütersloh eigentlich noch nie Schafe gesehen, denen es gut ging. Das werfe ein schlechtes Licht auf alle Schafhalter. „Wer Lammfleisch isst, sollte überlegen, ob es nicht wirklich genug andere Dinge zu essen gibt, für die kein Tier gelitten hat. Die Medien sind voll mit Meldungen über Tierhalter, die ihre Tiere qualvoll sterben lassen. Auch wir hatten einmal ein totes Lamm gefunden. Der Umgang mit Tieren muss sich grundlegend ändern. Man kann doch nicht warten, bis wieder irgendwo gehunfähige, verhungernde, tote und skelettierte Tiere gefunden werden. Behörden müssen früh genug konsequent eingreifen, schließlich wissen sie, wer Tiere kommerziell hält und dürfen den Lebensraum der Tiere für Kontrollen betreten.“ Gesternabend um 18 Uhr sei sie zuletzt bei den Tieren gewesen: Sie gingen unruhig hin und her, inmitten von nassem Dreck, in der Kälte, ein trauriges Bild.

[i] Siehe z.B. den Beschluss des Verwaltungsgerichts Mainz aus 2016, online abrufbar unter https://vgmz.justiz.rlp.de/fileadmin/justiz/Gerichte/Fachgerichte/Verwaltungsgerichte/Mainz/Dokumente/Entscheidungen/1_L_187-16_Beschluss_vom_13-06-16.pdf. Der Beschluss enthält zahlreiche Verweise auf weitere einschlägige Urteile und Richtlinien.

Lamm mit Nasenausfluss.

Die Haltung spricht für Schmerzen in den Füßen.

Die Tiere sind nass und dreckig.

„Auf kahlem nassen Boden hungrig im Dauerregen in die Nacht. Die Schafe waren unruhig, griffen sich gegenseitig an,“ berichtet Reinke.