Abschiede

Tiger

Man muss sich das mal vorstellen: Ein Leben draußen, in einem winzigen Baumbestand, eingerahmt von drei Straßen. Hier lebte Tiger viele Jahre bei Wind und Wetter, kastriert zwar und gefüttert, aber ohne Obdach. Tiger landete schwer krank bei uns in Varensell. Er muss da ca. 12 Jahre alt gewesen sein. Röntgenaufnahmen zeugten von alten unbehandelten schweren Knochenbrüchen. Tiger erhielt tierärztliche Behandlungen, ein warmes und trockenes Zuhause, gesicherten Auslauf und erholte sich.

Sechs Jahre war Tiger bei uns. Eine Blutuntersuchung hatte gleich zu Anfang Katzenaids ergeben. Aber er war ein Kämpfer mit einem starken Immunsystem. Er bekam keine einzige Infektion. Allerdings hatte er Arthrose, einen Nierenschaden, erlitt einen Schlaganfall und war zum Schluss taub und fast blind. Doch er schritt, breitbeinig wie ein Westernheld, bis zum letzten Tag seinen Garten ab, kannte hier jeden Stein und jede Ecke. Nun erlag er einer Tumorerkrankung der Atemwege.

Tiger war in vielerlei Hinsicht bemerkenswert: er war stolz und tapfer, mutig, unfassbar überlebenstüchtig, charakterstark, unbestechlich, niedlich mit seinem Sturkopf und eine wahre Schönheit. Der eher kleine Katzenmann besaß eine Riesenpersönlichkeit und ein starkes mutiges Herz. Bei Bedrohungen wich er keinen Zentimeter zurück. Und er konnte zärtlich sein, mochte wenige Menschen, aber die suchte er aktiv auf, buckerte an. Wer sich dann zum Streicheln hinreißen ließ, bekam ganz sanft, ohne Kralle eine erste Warnung – ehrlich und berechenbar war unser kleiner Tigerschatz!

Im großen Katzen-Hühner-Schweinegarten war er orientierungslos, deshalb begab er sich lieber in den mittleren Katzengarten. Hier fand er schöne Sonnenplätze und Sand zum Wälzen. Er verlangte energisch Berücksichtigung seiner Rituale, pünktliches Essen, wobei er sich gerne kämmen ließ, denn wegen seiner Wirbelsäulenverletzungen konnte er sein wunderschönes dichtes Haarkleid nicht selbst pflegen. Er schritt feste Wege ab und erklärte lautstark, wenn es Zeit war, rein oder raus zu gehen. In seinem Gehege beobachtete er alles, was sich bewegte, Meist lag er oben auf dem Strandkorb oder einer Katzenhütte. Kleine Scheingefechte mit den Nachbarn am Gitter hielten ihn fit.

Wir sind glücklich, Tiger Achtung, Fürsorge, Sicherheit, Wärme und tierärztliche Versorgung gegeben zu haben und dass wir ihn erlösen konnten, bevor er leiden würde. Tiger wurde mit seinen Schrullen von allen hochgeschätzt, hatte aber lange keinen Paten. Wenige Monate vor seinem Tod hat es dann doch noch geklappt. Seine Patin kam ihn oft besuchen. Vielen lieben Dank!