Alle Jahre wieder: Schafe mit Schmerzen im Dauerregen
Strafanträge gestellt
„Wieder stehen und liegen Schafe mit Schmerzen hilflos in Dauerregen, scharfen Wind und Eiseskälte, obwohl wir sie seit Mitte November dem Veterinäramt melden,“ kritisiert der Verein Achtung für Tiere e.V. Laut Tierschutzgesetz müssten Tiere ihren Bedürfnissen entsprechend gepflegt und verhaltensgerecht untergebracht werden. „Doch die Schafe haben nicht einmal ein trockenes Fleckchen zum Liegen, waten durch Pfützen und Matsch“, berichtet Astrid Reinke, Tierärztin und Vorsitzende des Vereins. „Extrem hinkende Tiere, die nicht mehr auftreten können, müssen auf drei Beinen über Wasserfurchen ‚springen‘. Das lange Leiden der Tiere ansehen zu müssen, zerreißt einen förmlich.“ Wer Tieren ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügt, der verstößt gegen das Tierschutzgesetz. „Es gibt keinen ‚vernünftigen‘ Grund für dieses schreckliche Leid. Was soll dahinterstehen, außer Raffgier, Gleichgültigkeit und Grausamkeit? Ein hinkendes Schaf bekam seine Beine kaum mehr aus einer tiefen Pfütze gezogen, ein anderes Tier lag in der Nässe fest, wie lange wohl schon?“
Am Fell sieht man, dass die Tiere mit Hals, Brust, Beinen, Bauch und Hinterteil im Nassen liegen. Aktuelle Situation.
Jedes Schaf müsse sich zu jeder Zeit windgeschützt und trocken hinlegen können. „Insbesondere langanhaltender Regen in Kombination mit Kälte und/oder starkem Wind führen zu einer Auskühlung des Körpers, da die isolierende Wirkung des durchfeuchteten Vlieses herabgesetzt ist“, zitiert die Tierärztin die aktuelle Tierschutzleitlinie des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz.1 Auch das Verwaltungsgericht Mainz hatte 2016 deutlich gemacht, dass Schafen ein wirksamer Witterungsschutz zustehe.2 „Doch das Veterinäramt Gütersloh lässt Schafe im Regen stehen und liegen, sogar schwangere Tiere. Im Frühjahr haben wir tote Lämmer gefunden, Totgeburten, hieß es vom Veterinäramt. Schwangere Tiere unter solchen Lebensbedingungen zu halten, ist rücksichtslos.“
Mehrere Tiere hinken extrem, können nicht mehr auftreten, „knien“ immer nieder, um wenigstens kurz etwas weniger Schmerz zu spüren. Ein qualvoller Zustand.
Reinke habe die Landestierschutzbeauftragte von NRW um Mediation im Verhältnis zum Veterinäramt ersucht. „Wir Tierärzte sollten alles tun, um Tiere zu schützen.“ Auslöser war die Einstellung ihrer Strafanträge gegen Schafbauern. Die Staatsanwaltschaft hatte sich dabei auf das Veterinäramt berufen, das keine Unregelmäßigkeiten festgestellt habe. „Dabei hatten die Tiere keinen Witterungsschutz, einige Herden hatten matschige, mit Kot und Urin verunreinigte Pflanzenreste zu essen, standen oder lagen in Matsch, Kot und Urin. Ich sah viele lahme Tiere, eins konnte sich kaum noch bewegen. Andere hatten riesige Kotklumpen am Hinterteil. Ein festliegendes mageres Lamm wurde nach eiskalter durchregneter Nacht liegen gelassen, der Schäfer würde sich im Laufe des Tages kümmern, hieß es. Das war ein Notfall. Dem Tier hätte sofort geholfen werden müssen. Das Veterinäramt kann nicht beantworten, was aus diesem Tier geworden ist.“
Dieser Anhänger galt als Witterungsschutz, obwohl nur einige Tiere der Herde darunter passen und sich zwischen Eisenteile quetschen mussten.
Der Leiter des Veterinäramtes habe beim Gespräch im Landesministerium u.a. Verstöße der Schäfer eingeräumt. „In den Akten las ich aber einen Austausch zwischen Veterinäramt und Polizei, in dem ich als Person und meine Meldungen verunglimpft worden waren, versendet an einen großen Mailverteiler des Kreises.“
Auf eine Anfrage nach Informationsfreiheitsgesetz habe das Veterinäramt erst nach neun Monaten und mehreren Nachfragen geantwortet. „Laut Auskunft wurde u.a. nicht erfasst, wie viele Tiere einer Herde schlecht genährt oder lahm waren. Bei kranken Tieren wurde nicht kontrolliert, ob sie tierschutzkonform versorgt worden waren. Fragen nach Witterungsschutz wurden lapidar mit „Ermessen“ abgetan. An meinen Bilddokumenten wurde kein Interesse bekundet.“
Reinke berichtet, dass sie am 23.12.23 an der Weide von einem kräftigen Mann bedroht worden sei. „Er war aufgebracht und hat mich an beiden Schultern gepackt, nachdem ich von einem Waldweg aus die Herde in der Nässe fotografiert hatte. Wir waren dort ganz allein. Eine zutiefst beängstigende Situation.“ Sie habe Strafanträge gegen den Schäfer und den Mann gestellt, nachdem sie bereits am 18.11. von einem anderen Mann verbal bedrängt worden sei.
1 „Allen Schafen muss daher für die Ruhephasen und die Nacht eine ausreichend große, weder morastige noch staunasse Liegefläche zur Verfügung stehen. Bei winterlicher Kälte mit über Tage anhaltendem starken Wind und Regen bzw. Schnee muss diese Liegefläche auch ausreichend im Sinne des […] natürlichen und/oder künstlichen Witterungsschutzes ausgestattet sein. […] Die Liegefläche muss so bemessen sein, dass alle Tiere gleichzeitig liegen können.“
(Niedersächsisches Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Tierschutzleitlinie für die Schafhaltung, S. 28-29, URL: https://tc95abcbc.emailsys1a.net/c/43/7188143/0/0/0/449156/3a611351e1.html)
2 „Die Weidehaltung von Schafen erfordert jedoch einen Witterungsschutz, durch den Kälte- und Hitzebelastungen, die die körpereigenen Temperaturregulationsmechanismen überfordern, vermieden werden. In der kalten Jahreszeit muss allen Tieren ein trockener, gegen Regen und Wind geschützter Liegeplatz zur Verfügung stehen. Die Liegefläche muss so bemessen sein, dass alle Tiere gleichzeitig liegen können (Ziff. 8 der Empfehlungen). Ein Witterungsschutz und eine trockene Liegefläche sind selbst dann notwendig, wenn sich die Freilandhaltung auf die Zeit von Mai bis zum Einsetzen des Winters beschränkt (Hirt/Maisack/Moritz, a.a.O., Anhang zu § 2 TierSchG, Rn. 121 m.w.N.). Natürliche Gegebenheiten reichen nach den Empfehlungen als Witterungsschutz nur aus, wenn sie ganztägig und ganzjährig sowohl gegen Kälte, Regen und Wind als auch gegen Hitze wirksam sind (Hirt/Maisack/Moritz, a.a.O., Anhang zu § 2 TierSchG Rn. 121).“
(Beschluss des Verwaltungsgerichts Mains, 1 L 187/16.MZ, Rn. 18, URL: https://vgmz.justiz.rlp.de/fileadmin/justiz/Gerichte/Fachgerichte/Verwaltungsgerichte/Mainz/Dokumente/Entscheidungen/1_L_187-16_Beschluss_vom_13-06-16.pdf)