Offener Brief zur Fortsetzung der Kaninchen-Ausstellung im Gartenschaupark Rietberg

20. Juni 2023 | Tiere halten

Offener Brief

Varensell, 20. Juni 2023

Kaninchenausstellung, Transparenz, Finanzierung, Klimapark

 

Sehr geehrter Herr Sunder,

gemäß Informationsfreiheitsgesetz NRW hatten wir eine Anfrage an die Stadt Rietberg gestellt (https://fragdenstaat.de/a/274127). Wir möchten wissen, wie die Entscheidung für die Weiterführung der Kaninchenausstellung genau zustande gekommen ist und hatten auch um Informationen über die Finanzierung gebeten. Erhält die Stadt Geld dafür, dass sie den Kaninchenzüchtern ein Forum bietet oder bekommen die Züchter dafür Geld? Leider haben wir keine Antworten erhalten. Auch nicht von Herrn Wiethoff. Warum hält man diese Dinge geheim, der Gartenschaupark ist schließlich eine kommunale Freizeiteinrichtung? Wir bitten nun Sie um Antworten.

Und was ist eigentlich der Zweck der Ausstellung und wird er nachweislich erfüllt?

Auch bezüglich der Tierschutzprobleme kann Herr Wiethoff nicht unser Ansprechpartner sein, da er Tierleid nicht anerkennt und Informationen zur artgerechten Haltung ignoriert. Er lud uns kurzfristig zu einem Ortstermin ein, nachdem die Wiedereröffnung der Anlage beschlossene Sache war. Eine aufrichtige Auseinandersetzung ist offenbar nicht erwünscht, man möchte sich aber trotzdem ein Tierschutzmäntelchen umhängen.

Herr Wiethoff stellt Selbstverständlichkeiten als Errungenschaft dar und will die Tierhaltung nun auch noch ausweiten. Marketing mag er beherrschen, Tierschutz nicht. Wer Tiere hält, darf nicht immer wieder darauf warten, dass anderen Missstände auffallen. Einfachste Grundsätze der Tierhaltung werden missachtet.

Wir wenden uns an Sie in Ihrer Aufsichtsratsfunktion, möchten Sie über unsere aktuellen Beobachtungen und Einschätzungen der Kaninchenausstellung informieren und bitten Sie darum, auf einen sofortigen Ausstellungsstopp hinzuwirken.

Zugleich bieten wir Ihnen sehr gerne unsere praxisorientierte pädagogische Mitwirkung beim Grünen Klassenzimmer an. Wir engagieren uns für die, die ihre Interessen nicht selbst vertreten können. Von Eigeninteressen unabhängig, vermitteln wir Fakten zu Bedürfnissen und Verhaltensweisen von Tieren, deren realer Lebenssituation und zeigen Beispiele tätiger Hilfe für Tiere.

Kaninchenausstellung 2023

Der Presse war zu entnehmen, dass Ratsmitglieder beklagen, dass die Öffentlichkeit über Missstände in der Kaninchenausstellung informiert wurde, nicht jedoch, dass die Züchter das Tierleid verursacht hatten. Mit der Fortsetzung der als „erfolgreich“ bezeichneten Zusammenarbeit mit den Züchtern stellt die Stadt sich auf die Seite derer, die Tiere massiv vernachlässigt hatten.

2023 bietet die Kaninchenausstellung wieder ein trauriges Bild. Wieder sind Tiere tierschutz- und artwidrig einzeln eingesperrt. Wieder gibt es stereotypes und Zwangsverhalten, wie exzessives Belecken und Benagen, Gitterbeißen, zwanghaftes Hin- und Herrennen. Wachsende Kotmengen werden einfach liegen gelassen. Sie sind ein Risikofaktor für Fliegenmadenbefall, der für Tiere sehr schmerzhaft und oft tödlich ist.

Die Verdauung von Kaninchen ist auf täglich 60 bis 80 Portionen Grünfutter ausgerichtet. Dies zu suchen und zu kauen könnte Verhaltensstörungen mangels Beschäftigungsmöglichkeiten verhindern helfen. Durch die Gitter sehen die Kaninchen frisches Grün, können es aber nicht erreichen! Die Tiere haben nicht einmal Äste zum Benagen. Sie sollten in physiologischer Haltung essen und trinken können. Trinkgefäße sollten leicht zu reinigen sein. Nachlässigkeiten wie gefährlich spitze Drahtenden darf es nicht geben. Am 14.06.23 lag ein großer Wasserbottich in einem Käfig. Eine dünne Drahtschlinge blieb in der Luft hängen. Die Tiere hätten sich daran verletzen und darin hängen bleiben können…

Lotte

Ein allein eingesperrtes Tier haben wir Lotte genannt, ein Widderkaninchen. Wir wissen aber nicht, ob es weiblich ist. Lotte rennt oft am Gitter hin und her. Kinder, die es nicht besser wissen können, finden das lustig und denken, dass Lotte Spaß hat. Sie wirkt rast- oder teilnahmslos, sitzt lange auf einem Fleck, starrt stumpf vor sich hin oder zum Nachbarpaar, welches sie nicht erreichen kann. Oder sie leckt und beißt an sich herum, kratzt sich, schlackert mit den Ohren. Widder leiden zuchtbedingt häufig an chronischen Ohrentzündungen, die man von außen nicht sieht. Experten stufen sie als Qualzucht ein.

Wie mag Lotte sich fühlen, immer allein, ohne Freunde zum Kontaktliegen, für die Körperpflege, zum Spielen und sich austauschen? All das sind wissenschaftlich anerkannte Grundbedürfnisse.

Kaninchen machen meterweite Sprünge, schlagen Haken, sprinten 50 km/h –alles unmöglich in den Käfigen. Die Fluchttiere mit ausgezeichnetem Hörsinn sind neben einem Hüpfburgpark voller begeistert schreiender Kinder eingesperrt. Dazu kommen durchdringende Schreie direkt am Zaun und der Rieti-Express mit schrillem Gebimmel.

Im Gartenschaupark wird ein gedanken- und liebloses Ausstellen von Tieren betrieben.

All das ist vor dem Hintergrund der massiven Missstände in 2022 zu sehen: Tiere in engen Kisten mit Kot und Urin, bei brütender Hitze, zeitweise ohne Wasser und Futter, grausame Einzelhaltung, artwidrige Fütterungsempfehlungen u.v.m. Wir bemerkten diese Situation zufällig, tausende Menschen bemerkten sie nicht, inkl. der Parkleitung und der Züchter selbst.

Sie haben das Bildmaterial gesehen, selbst Kaninchen gehalten und wissen, dass sie unternehmungslustige, soziale, bewegungsfreudige Daueresser sind. Die Züchter leugnen, dass Kaninchen in Gruppen leben, setzen sie gar mit Hasen gleich, was biologisch Unfug ist.

Tierparkpläne

Bitte bedenken Sie, welche Signale Sie aussenden, wenn der Gartenschaupark weiterhin Kindern Tiere so vorsetzt. Wer sich an der Tierhaltung dort ein Vorbild nimmt, dehnt das Leid auf die eigenen Tiere aus. Kinder brauchen Wissen, aufrichtige Information, Anleitung und sie müssen Rücksicht auf und Mitgefühl mit Tieren entwickeln können. Nichts davon leistet die Kaninchenausstellung und ein Tierpark wird es auch nicht richten.

Bitte verhindern Sie, dass noch mehr Tiere zu einem schlechten Leben verdammt und Kinder getäuscht werden.

Einige Szenen zur der traurigen Situation der Kaninchen finden Sie unter www.achtung-fuer-tiere.de.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Mit freundlichen Grüßen

Astrid Reinke

Vorsitzende